DUNKEL

2021. die ärzte, notre amour.

Sind das wirklich die ärzte? Gerade mal ein Jahr rum seit dem letzten Album. HELL hieß … äh … heißt es, und sie haben sich dafür immerhin acht Jahre Zeit genommen. (Nun ja, brutto jedenfalls.) DUNKEL. Ernsthaft jetzt? Warum machen die das?

Weil sie es können?!

Natürlich sind BelaFarinRod längst so etwas wie eine Ikone, die sich keinen Kopf darüber zerbricht, ob man es allen – geschweige denn irgendjemanden – recht machen sollte. Die seit jeher einfach das macht, was sie am Besten kann: die ärzte sein. Im Zweifelsfall ohne Rücksicht auf (eigene) Verluste, aber am Ende eben doch immer einfach nur komplett überzeugend.

Drei Touren stehen an, zwei Alben sind im Gepäck. Nie vorher hatten die ärzte-Fans so eine Fülle an neuem, bisher nicht live vorgetragenem Material. Segen und Fluch ist das, denn wer wirklich textsicher sein will, hat jetzt 19 Smash-Hits mehr zu verinnerlichen. 19 neue Songs, die wieder in allen Töpfen wildern und doch so etwas wie die Seele der die ärzte kondensieren. 19 Songs, die in ihrer Gänze erstaunlich geschlossen wirken, obwohl sie bei aller Kompaktheit jeweils ein ganzes Universum umfassen. Musikalisch und textlich.

Wo BelaFarinRod einfach ihr Reime-Buch aufschlagen, müssten Semiotik-Seminare Überstunden einlegen. Für einen Blick hinein würden etliche Deutschrapper:innen die Goldkette hergeben. (Nur Rapperin Ebow, die lässt sich einladen und versetzt dem Sound der die ärzte mal ganz lässig einen gehörigen Schwung female power.)

SCHWEIGEN ändert nun mal nichts, denn diese Worte haben KRAFT.

DUNKEL ist auch so etwas wie eine Reise ins Herz der Finsternis, in die Welt der Männlichkeit und ihrer ja nur zu realen Stereotypen: mitunter peinlich, nicht selten dumm, nicht selten genug eklig und viel zu oft gefährlich – aber alle Hoffnung ist noch nicht verloren. Denn auch die Sterne funkeln nur im Dunkeln, wie es im Titel-Song DUNKEL so schön heißt, der vielleicht beschwingtesten Schwermut, die man sich bisher gar nicht vorstellen konnte.

Liebe ist, was die ärzte draus macht. Und die ist kompliziert.

Eben noch mit der semantischen Glatteis-Maschine unterwegs, wedeln die ärzte schon im Off-Beat mit der Nazi-Keule: Bei denen bekanntlich keine Pillen mehr helfen. Und dann gibt es noch alles andere. Die große himmelweit leuchtende Hymne ERHABEN. Das massiv kryptische SCHREI in all seiner Breitwand-Dröhnung. Die vorab ausgekoppelte Urlaub/Felsenheimer-Koop NOISE mit ihrer bedingungslosen Ärztigkeit und diesem herzhaften Yeah, Yeah, Yeah! Das schmerzhaft realistisch emotionale DANACH. Und … ach, wo will man aufhören?

Es sind die ärzte. Besser als Kapitalismus. Manchmal auch mit Karnickelfickmusik. Oder gerade damit. Denn das ist das Kerngeschäft: Die Beste Band der Welt.

Quelle: bademeister.com